JUDO: Nachgeben, um zu siegen
In Schwerin hat der Judo-Sport eine lange und erfolgreiche Tradition.
Viele in der Stadt haben selber den Judosport betrieben oder haben Bekannte die trainiert haben. Zu DDR-Zeiten holten die „judoverrückten“ Schweriner unzählige Medaillen, Meisterschaften und Pokale. Dies konnte auch bis weit in die 90er Jahre gesamtdeutsch fortgeführt werden. Damals noch unter der Bezeichnung „BSG Post Schwerin“ und in den 90er Jahren dann SSC und seit 1999 dann unter „1. Schweriner Judo Club e.V. 1999“.
Wie alles begann!
Im Februar 1959 begann der junge Mann – Heinz Reinhard Stiller mit dem Judotraining bei der „SG Dynamo Schwerin“. Er trainierte dort selbst und begann angefangen von den Kindern bis zu den Erwachsenen die Trainingsgruppen zu trainieren. Im Jahr 1964 bestand er seine Prüfung zum 1.Dan und war damit der erste Judoka aus Mecklenburg dem dies gelang.
Gründung der Judoabteilung bei Post Schwerin!
Er war sehr ehrgeizig und wollte mehr – einen eigenen Judoclub. Zu DDR-Zeiten ging das natürlich nicht so einfach. So gründete er im Ende 1966 innerhalb der „BSG Post Schwerin“ die Abteilung Judo. Jetzt konnte er seine eigenen Konzepte und Ideen durchsetzen, denn auf große Unterstützung vom Verein brauchte er nicht warten. Das Hauptaugenmerk lag eindeutig bei der Handballabteilung die bis heute in der 2.Bundesliga spielt. Durch die späteren Erfolge der beiden Abteilungen Handball und Judo war der Verein in der DDR sehr berühmt. Die Judonachwuchsarbeit war sehr geachtet und die vielen Talente des Vereins wurden gerne bei den Leistungsclubs dem erfolgreichsten europäischen Judoclub SC Dynamo Berlin-Hoppegarten und SC Leipzig aufgenommen.
Suche nach Sportlern und Trainingsstätten
Am 04.01.67 begann das erste Training. Der Aufbau der Sektion war sehr schwierig. Die ehemaligen Kämpfer der Trainingsgruppe blieben bis auf Eckard Zerck (heute Vereinsvorsitzender) und Frank Mierow (heute Trainer beim JC90 Frankfurt/Oder) natürlich beim Altverein der SG Dynamo Schwerin. So blieb nichts weiter übrig als in die Schulen zu gehen und dort den Kindern den Judosport interessant zu machen. Schon nach kurzer Zeit waren dann 15 Sportler die auf der Matte trainierten. Auch mit der Trainingsstätte war es nicht so einfach. Anfangs wurde teilweise in den Gängen der damals noch neuen Sport- und Kongresshalle trainiert. Dann als Ausweichmöglichkeit auch mal im Boxring des „Sportclub Traktor“. Ab 1968 wurde die DDR-Spartakiade alle zwei Jahre durchführt. Hier kamen alle Nachwuchstalente der DDR in den olympischen Sportarten zusammen. Hier konnte mit unserem Kämpfer Bernd Kakuschke die einzige Goldmedalle für den damaligen Bezirk Schwerin im Judo errungen werden. Somit waren Fakten geschaffen an denen die Sportverantwortlichen im Bezirk Schwerin nicht vorbei kamen.
Im Herbst 1968 bekam die Abteilung Judo eine Trainingsstätte zugewiesen – das Sportgebäude auf der Albert-Richter-Kampfbahn. Dort gab es zwar große aber marode Räume. Es wurden Pfeiler und Stahlträger, wie in der DDR üblich, in Eigeninitiative in die Räumlichkeiten eingebaut, damit die Decke stabilisiert werden konnte. Der Sportkomplex wurde inzwischen abgerissen. Heute sind dort im Zuge der „BUGA 2009“ die „schwimmenden Wiesen“ entstanden. Allerdings waren auch diese Räume schnell zu klein. Im Jahr 1969 konnte dann der 1. Platz beim Pionierpokal (DDR-Mannschaftmeisterschaften der Kinder) gewonnen werden. Mitte 1969 ging die Suche wieder los und es wurden größere Räume und zwar ein Dachboden eines Pferdestalls in der Lübecker Strasse gefunden. Der lag schön zentral in der Stadt mußte aber auch erst hergerichtet werden. Also war wieder DDR-Eigeninitative gefragt, denn auf Ausbaufirmen brauchte man in der DDR-Mangelwirtschaft nicht hoffen. So wurden die notwendigen Arbeiten wie z.B. Wände verputzen und malern in den Ferien erledigt. Es entstand eine Fläche von erst 14×14 Metern und die dann auf 400 qm erweitet wurde. Nun konnte man sich voll auf den Sport konzentrieren und es begann eine sportlich sehr erfolgreiche Zeit (siehe Archiv der Erfolge). Hierzu Berichte aus der Schweriner Volkszeitung vom 04.03.1971, 24.01.1977 und 15.01.1987 (auf den Artikel klicken):
Bis 1980 konnte diese Trainingstätte genutzt werden. Sie war nicht fachgerecht saniert worden und dann zu marode, um dort weiter zu trainieren. Die Räumlichkeiten wurden vom Bauamt gesperrt. Als Ausweichort diente dann die heutige VfL-Halle in der Lübecker Strasse. Dann brauchte Heinz Stiller eine Pause und konzentrierte sich 5 Jahre lang auf seinen Lehrerberuf. In der Zeit wurde die Judoabteilung von zwei anderen Trainern geführt. Im Jahr 1983 der der Judoverein ungefähr 300 Judokas zwischen 8 und 22 Jahren. Diese trainierten mindestens 2 x die Woche. Es gab 17 Übungsleiter die den Kindern die Sportart beibrachten. Oft waren es ehemalige aktive Judosportler aus dem Verein die ihre Erfahrungen weiter gaben.
Ab dem Jahr 1985 wurde das Training in der Sporthalle der heutigen „Grundschule Lankow“ und der Sporthalle der „Körperbehindertenschule Lankow“ durchgeführt. Es gab kontinuierlich sportliche Erfolge bis 1989 die Wendezeit in der DDR kam. Sport war jetzt nicht mehr so wichtig. So viel Sportförderung wie in der DDR wollte man sich nun in der BRD nicht mehr leisten Viele Trainer wurden entlassen die Verbände und Vereine neu strukturiert, überdacht, erneuert und verändert. Das Resultat dieser Entwicklung sieht man in der Medaillenbilanz der deutschen Sportler bei Olympia die stetig nach unten zeigt. Schade!
Angliederung an den Großverein SSC!
Nachdem im Jahr 1990 neue Konzepte entstanden waren, wurde die Abteilung Judo der BSG Post Schwerin in den gerade entstehenden Großsportverein „SSC – Schweriner Sportclub“ aufgenommen. Die Judokas zogen in die ehemalige Boxerhalle der Sport- und Kongresshalle ein. Hier hatte man ideal kurze Wege zur Sportschule auf die jetzt auch die Judokas gehen durften. Jetzt begann die sportlich erfolgreichste Phase der Judokas. Viele gesamtdeutsche Titel, Pokale und Medaillen konnten erkämpft werden. Die Schweriner hatten nun sogar deutschlandweit einen guten Namen. Die Clubs vom SC Berlin, JC Leipzig und JC 90 Frankfurt/Oder freuten sich auf die gut ausgebildeten Kämpfer aus Schwerin. Jetzt sollte mehr auf Breitensport gesetzt werden und dazu waren keine Spitzentrainer mehr erforderlich.
Ausgliederung aus dem SSC und Gründung des 1.SJC
Im Großverein SSC konzentrierte man sich hauptsächlich auf die Sportarten Volleyball und Leichtathletik. Für die Judokas wurden die organisatorischen Abläufe zu kompliziert. So wurde im Jahr 1999 der „1.Schweriner Judoclub 1999 e.V.“ gegründet. Gründungsmitglied war seinerzeit unter anderem Schwerins ehemalige Bürgermeisterin Angelika Gramkow. Das Konzept als selbstständiger Judoverein klang gut und so kam es Anfangs weiterhin zu guten Erfolgen.
Bruch im Verein!
Im Jahr 2001 gab es dann für den Verein eine schwierige Zeit infolge dessen der Cheftrainer aufhörte. Die meisten Mitglieder des Vereins wechselten dann nach und nach zum Nachbarverein PSV Schwerin. Gut für den PSV – schlecht für den 1. SJC. Der PSV profitiert bis heute von dem Wechsel. Im Jahr 2004 schien dann der alte Traditionsverein zu verschwinden.
Der Neuanfang!
Der damalige Vereinsvorsitzende Ralph Gabler machte sich dann auf den Weg, um den erfahrenen Trainer Heinz Reinhard Stiller wieder zu gewinnen. Der Trainer zeigte Bereitschaft so ging es wieder Stück für Stück voran. Einige Sportler kehrten wieder vom PSV Schwerin zurück aber es konnten viele junge Judokas gewonnen werden. Man zog im Jahr 2004 aus der inzwischen sanierungsbedürftigen Trainingsstätte der Sport- und Kongresshalle aus und bezog eine Baracke in dem Stadtteil Großen Dreesch. Es wurde wieder mal zu eng für den Verein. Im Jahr 2007 zog man komplett nach Lankow in nicht mehr genutzte Räumlichkeiten der Reiko-Fabrik. Die Mitgliederzahlen stiegen auf über 130 an. Es wurde ein neuer erweiterter Vorstand gewählt, viele Eltern aktiviert und im Herbst 2008 zog der Verein hoffentlich für lange Zeit in die Nähe des Fernsehturms um.
Hier hat der Verein erstklassige Trainingsbedingungen in der Hamburger Allee 122 im Stadtteil Mueßer Holz (zwischen dem Ärztehaus und dem Fernsehturm) mit dem weitläufigen Außengelände. Hier werden auch die vereinseigenen Turniere durchgeführt, angefangen vom gut besetzten „Herbstturnier“ bis hin zu Anfängerturnieren, dem „Start ins Jahr“, „Frühlingscup“, dem Weihnachtsturnier sowie dem Projekt „Integration durch Sport“.
Erfolge gab es in der Vergangenheit zur Genüge. In der DDR wurden die aussichtsreichsten Talente aus dem Verein in die Leistungszentren nach Berlin und Leipzig delegiert, die dort dann ihren internationalen Weg nahmen. Zu nennen ist hier der erfolgreichste Judokämpfer Schwerins Torsten Brechot der Olympiadritter 1988 und Vizeweltmeister 1985 wurde sowie Roland Borawski und Fred Ohlhorn die jeweils Junioren-Europameister wurden. Aktuell: ihre Grundlagen im Judosport bekam Susi Zimmermann im 1. SJC wurde dann nach Frankfurt/Oder delegiert und gewann 2008 bei der U20-Weltmeisterschaft die Bronzemedaille und 2010 Silber bei der Mannschaftsweltmeisterschaft. Einen großen Erfolg erkämpfte im Jahr 2014 Hartmut Schröder mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Deutschen Meisterschaften der Ü30.
Auch heute erkämpfen die Nachwuchstalente des Vereins Medaillen und Pokale und gehören zu den erfolgreichsten Vereinen in Mecklenburg/Vorpommern. So gab es in 2016 insgesamt 31 Medaillen bei den Meisterschaften in Mecklenburg/Vorpommern für den Verein, davon 10 Meistertitel. Sportlich noch wertvoller waren die 1 x Silber- und die 4 x Bronzemedaille bei den Nordosteinzelmeisterschaften. Sogar bei den Deutschen Meisterschaften gab wieder eine Silber- und Bronzemedaille durch unsere „Oldis“ Mirco Bartke und Ilka Baumgart. Till Gronke konnte bei der U21-Deutschen Meisterschaft den Verein vertreten. Auch bei den Bundessichtungsturnieren war der 1.SJC vertretetn. Hier gab es einen 3. Platz durch Kim Tepelmann. Erfolgreich vertreten die Judokas den Verein auch bei großen Turnieren in anderen Bundesländern. Höhepunkt für den Nachwuchs war der 5. Platz der U14-Jungs beim Deutschen Jugendpokal (Mannschaftswettbewerb) in Senftenberg.
Der Verein veranstaltet mehrere Turniere im Jahr. Hier zeigt sich die große ehrenamtliche Einsatzbereitschaft der Vereinsmitglieder und Eltern ohne die es nicht möglich ist.
Zum 20-jährigen bestehen des Judoverbandes Mecklenburg/Vorpommerns im Jahr 2010 wurde Vorstandsmitglied und Trainer Ralph Gabler mit der „Ehrennadel in Bronze“ ausgezeichnet. Im Jahr 2015 bekam Ralph die „Bronzenen Ehrennadel des Stadtsportbundes“ für seine sehr engagierte Arbeit.
Unser im August 2016 leider viel zu früh verstorbene ehemalige Vereinsvorsitzender Eckhard Zerck wurde 2012 als Auszeichnung für die tolle Arbeit der 4.Dan verliehen. In 2014 bekam er die „Ehrennadeln des Stadtsportbundes“ sowie 2015 die „Goldene Ehrennadel des Landessportbundes“ für die Verdienste im Judosport. Es ist ein schmerzlicher Verlust „Ecki“ nicht mehr dabei zu haben.
Sein jahrelanger Weggefährte und frisch gewählte Vereinsvorsitzende des 1.SJC – Hartmut Schröder erhielt 2016 im Rahmen der Mitgliederversammlung des Landesfachverbandes Judo (JVMV) aus den Händen des Präsidenten Harry Oberschmidt die Auszeichnung für den 2.Dan aufgrund seiner gezeigten Judo-Leistungen. Sein letzter großer Erfolg war im Jahr 2014 der Gewinn der Goldmedaille bei den Deutschen Meisterschaften der Ü30 – danach trat er von der aktiven Bühne ab.
Das zeigt wie erfolgreich die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen gesehen wird. Von unseren Trainern mit den langjährigen Erfahrungen und dem Wissen über den Judosport erhalten die Kämpfer eine hervorragende Ausbildung. So können alle Bereiche vom Breitensport, Leistungssport als auch der Erwachsenensport abgedeckt werden. Trainiert wird jeden Tag in der Judohalle egal ob Junge oder Mädchen. Selbst eine Erwachsenengruppe gibt es im Verein und so mancher ehemalige aktive Judoka sollte den Weg nicht scheuen, um sich ungezwungen sportlich fit zu halten. Für Eltern der Vereinskinder die aus verschieden Gründen keinen Judosport betreiben sich aber aktiv betätigen wollen, gibt es inzwischen jeden Mittwoch von 20.00 – 21.30 Uhr in der Sport- und Schwimmhalle der Körperbehindertenschule Lankow die Möglichkeit sich durch Ballspiele, Fitnessübungen und Schwimmen fit zu halten.
Derzeit trainieren weit über 160 Kindern und Jugendliche in den verschiedenen Trainingsgruppen. Aus dem Verein gehen viele Sportler zum Sportgymnasium in Schwerin und sind dort sehr angesehen. Sie verfolgen den leistungssportlichen Weg den der Verein gemeinsam mit den Eltern und den Verbänden unterstützt und haben auch die Möglichkeit bei Internationalen Turnieren erfolgreich zu starten.
Judotraining ist nicht nur kämpfen. Erfolge benötigen ein ganzheitliches Training des Körpers. So sind Techniktraining genauso wichtig wie Beweglichkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Dafür sorgt der Verein gemeinsam mit den Eltern bei den familiären Vereinsfesten. Oft wird gestaunt, dass ein Judoka einen Spagat beherrscht oder Handstand laufen kann und selbst bei einem Sprint andere Sportler hinter sich lässt. Dies sind Grundlagen die Judokas von ihren Trainern lernen. Schwerin soll auch zukünftig durch „Spitzenjudokas“ vertreten sein, das ist der Wille des Vereins.
Derzeit werden zusätzlich auch die Arbeitsgemeinschaften in der Grundschule Lankow, in der Fritz-Reuter-Schule, und auch die in der Schule in Brüsewitz vom Verein betreut.
Wer neugierig geworden ist oder sich einfach nur „Judo“ – sportlich betätigen möchte, kann mit dem Verein Kontakt aufnehmen und erstmal einen „Schnupperkurs“ mitmachen. Mitmachen kann jeder – von 4 Jahren an bis zum Senioren.